Freiheit vs. Frust: Wie Remote Work zukunftsfähig gestaltet werden kann

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Freiheit vs. Frust: Wie Remote Work zukunftsfähig gestaltet werden kann

Remote Austrittsbefragungen

Hybride Arbeitsmodelle sind keine Nischenlösung mehr, sondern das New Normal für Wissensarbeiter. Drei Tage im Büro, zwei Tage im Homeoffice sind jetzt Standard. Die notwendigen digitalen Tools wurden angeschafft und auf dem Papier sah alles perfekt aus. Struktur, Planbarkeit, persönliche Zusammenarbeit – an alles wurde gedacht. Doch jetzt ist einer der Präsenztage und eine eigenartige Stille herrscht im Büro. Der erhoffte kreative Austausch findet nicht statt. Schlimmer noch: Das Engagement ist laut der letzten internen Messung gesunken und die Zahl der Krankheitstage gestiegen. Was ist nur schiefgelaufen?

Flexibilisierung klingt einfach, doch de facto handelt es sich dabei um eine der größten Führungsherausforderung der heutigen Arbeitswelt. Es gibt unzählige Möglichkeiten und unzählige Irrwege.

Und nein, es wurde nicht an alles gedacht. Wer die Arbeit flexibilisiert, darf Mitarbeitende nicht nur als Kalkulationsgröße betrachten, sondern muss diese mitnehmen. Welche Bedeutung hat Flexibilität also für die Menschen im eigenen Unternehmen? Anwesenheit lässt sich messen, doch was ist mit Verbundenheit? Regeln können implementiert werden, doch wie entsteht Kultur?

Dieser Artikel liefert keine fertigen Antworten auf diese drängenden Fragen. Er hilft eigene Lösungen zu entwickeln, um die Arbeit in im Unternehmen erfolgreich, gesund und zukunftsfähig zu gestalten.

Inhalt

Die harten Zahlen

Die Debatte um das Homeoffice ist vorbei. Es hat gewonnen. Die Zahlen der Konstanzer Homeoffice Studie 2025 sind da unmissverständlich: Eine deutliche Mehrheit von 75 % der Beschäftigten bevorzugt eine Mischung aus Arbeit im Büro und Homeoffice. Reine Büroarbeit ist für nur noch 6 % eine attraktive Option, während 19 % am liebsten komplett remote arbeiten würden. Im Durchschnitt kristallisierte sich ein Wunsch von 2,77 Tagen pro Woche im Homeoffice heraus, eine klare Absage an eine Fünf-Tage-Präsenzkultur.

Zusätzlich ist Flexibilität zur harten Währung im „War for Talents“ geworden. 71 % der Befragten geben an, dass die Möglichkeit, mobil zu arbeiten, ein zentrales Kriterium bei der Wahl ihres Arbeitgebers ist. Zum Vergleich: 2020 waren es noch nur 54 %.  Unternehmen sind jetzt stärker denn je gefordert, hier überzeugende Antworten zu liefern. Andernfalls verlieren sie die besten Köpfe an die Konkurrenz. Die oft beschworene „große Rückkehr ins Büro“ findet in der Realität nicht statt. Im Gegenteil: Der Anteil der Unternehmen, die ihre Präsenzvorgaben verschärfen, ist sogar von 22 % auf 19 % gesunken und eine vollständige Anwesenheitspflicht ohne Homeofficemöglichkeit ist mit 8 % zur absoluten Ausnahme geworden.

Wenn die Zahlen so eindeutig sind und es fast jeder macht, warum gib es dann noch so viele Probleme bei der Umsetzung?

Freiheit vs. Frust: Die zwei Gesichter der Flexibilität

Die neue Arbeitswelt ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite verspricht sie Autonomie, Effizienz und eine bessere Lebensqualität. Auf der anderen Seite lauern die Gefahren von Isolation, Stress und dem schleichenden Verlust der Unternehmenskultur:

1. Die Sonnenseite: Ein Gewinn für alle?

Für viele Mitarbeitende ist der größte Gewinn die zurückgewonnene Souveränität über die eigene Zeit. Der wegfallende Arbeitsweg und die Möglichkeit, Phasen konzentrierten Arbeitens – #DeepWork – ins Homeoffice zu legen, sind unschätzbare Vorteile.

Auch Unternehmen profitieren massiv. Der Zugang zu einem globalen Talentpool – falls nötig über einen Employer of Record – ist ein entscheidender Hebel gegen den Fachkräftemangel. Zudem steigern attraktive Hybrid-Angebote die Mitarbeiterbindung und machen ein Unternehmen zum „Employer of Choice“. Denn richtig umgesetzt, führt die neue Autonomie zu mehr Eigenverantwortung und fördert eine Kultur des Vertrauens statt der Kontrolle.

2. Die Schattenseite: Die unsichtbare Krise des Engagements

Doch während die Vorteile leicht ersichtlich sind, entwickeln sich die mit dem Homeoffice einhergehenden Probleme eher im Verborgenen. Der Gallup State of the Global Workplace Report 2025 liefert hier alarmierende Erkenntnisse. Seit 2009 gab es erst zweimal einen Rückgang bei der Messung des Mitarbeiterengagements. Das erste Mal war nach dem COVID-Ausbruch; das zweite Mal bei der letzten Erhebung. Das Mitarbeiterengagement ist im weltweiten Durchschnitt auf einen Wert von nur 21 % gefallen. 62 % sind nicht engagiert, machen also nur noch Dienst nach Vorschrift, und besonders besorgniserregende 17 % gelten als „aktiv unengagiert“. Diese Gruppe leidet nicht nur still, sie untergräbt aktiv die Moral und den Fortschritt des Unternehmens.

Die Daten offenbaren zudem ein tiefes Paradoxon: Obwohl vollständig remote arbeitende Mitarbeitende deutlich engagierter sind  (31 %) als solche mit Präsenzpflicht (nur 19 %) weisen sie ein geringeres allgemeines Wohlbefinden auf: Sie fühlen sich gestresster (+7 %), trauriger (+8 %), wütender (+4 %), einsamer (+ 6) und wollen häufiger das Unternehmen verlassen (+10 %).   Gleichzeitig belegt die Konstanzer Studie, dass eine erzwungene, erhöhte Präsenz im Büro zu höherer emotionaler Erschöpfung (+6 %) führt, ohne dass sich dies positiv auf die Produktivität (- 5 %) auswirkt.

Flexibilität ist also kein Allheilmittel, sondern eine komplexe Herausforderung, die differenzierte Antworten erfordert. Antworten, mit denen Führungskräfte oft überfordert sind. In der Folge kaskadiert die Engagementkrise von der Führungsebene nach unten.

Schon der heilige Augustinus wusste: Nur wer selbst brennt, kann in anderen ein Feuer entfachen. Führungskräfte erfüllen eine Vorbildfunktion und sollten mit Tatendrang vorangehen, um andere mitzureißen. Tatsächlich ist jedoch das Engagement bei Führungskräften von 30 % auf nur 27 % gesunken. Ein demotivierter Manager kann kein motivierendes Umfeld schaffen. Einer der Gründe für den Rückgang des Engagements bei Managern ist das Homeoffice. 25 % der Führungskräfte halten eine stärkere Präsenzpflicht für sinnvoll; 24 % geben an, dass durch das Homeoffice die Kommunikation im Team leidet; und 20 % finden es dadurch schwieriger, effiziente Prozesse sicherzustellen. Wie sollen nicht anwesende Mitarbeitende motiviert werden? Wie soll die Kontrolle behalten werden? Statt mehr Vertrauen hat das Homeoffice oft den gegenteiligen Effekt. Führungskräfte fühlen sich zu stärkeren Überwachungsmaßnahmen genötigt. In der Folge sinkt die Motivation und damit die Leistung der Mitarbeitenden, was wiederum die Führungskräfte in ihrem Verhalten bestätigt – ein Teufelskreis.  

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung

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Der Weg zum zukunftsfähigen Unternehmen

Wie also lässt sich das Paradoxon von hohem Engagement und niedrigem Wohlbefinden auflösen? Wie lässt sich der Teufelskreis demotivierender Kontrolle durchbrechen? Der Lösungsansatz ist zweigeteilt und gliedert sich in eine Erkenntnis und in zwei Handlungsanweisungen:

Die Erkenntnis: Das Scheitern der Einheitslösung

Der eingangs geschilderte „3-2-Plan“ ist das perfekte Beispiel für den häufigsten strategischen Fehler: die Annahme, dass eine Regel für alle passen könnte. Die Realität ist: „One size fits none.“ Denn ein solcher Ansatz ignoriert die fundamental unterschiedlichen Bedürfnisse von Teams und Individuen.

In einem Vertriebsteam kann, der schnelle Austausch im Büro, die mitreißende Energie und das gemeinsame Feiern von Erfolgen ein wichtiger Treiber sein. Erzwingt man hier zu viel Homeoffice, leidet die Teamdynamik. Ganz anders ist es bei einem Team von Softwareentwicklern. Für sie sind lange Phasen ungestörter Konzentration entscheidend für die Code-Qualität. Ständige Unterbrechungen im Großraumbüro sind hier Gift für die Produktivität. Eine pauschale Anwesenheitspflicht wäre für dieses Team kontraproduktiv.

Zugegeben, die geschilderten Beispiele sind stereotypisch. In der Realität sind es oft die kleinen Details, die helfen, das passende Modell für das jeweilige Team zu finden.

Die Handlungsanweisungen: Zuhören und Führungskräfte schulen

Wer sich auf die ernsthafte Suche nach dem passenden Modell begibt, wird nicht umhinkommen, die Mitarbeitenden selbst zu fragen. Es klingt trivial und doch wird es zu häufig ignoriert: Die Mitarbeitenden wissen selbst am besten, wie sie am produktivsten arbeiten können.

Und was ist mit dem Dilemma von Produktivität und Wohlbefinden im Homeoffice? Auch hier hilft es, zuzuhören. Das Paradoxon zeigt doch gerade, dass es auf die Details ankommt. Hohes Engagement bei gleichzeitig niedrigem Wohlbefinden deutet darauf hin, dass diese Mitarbeitenden zwar ihre Arbeit lieben, aber unter den Rahmenbedingungen leiden – sei es durch soziale Isolation, mangelnde Unterstützung oder irgendeinem anderen Grund. Nur wer zuhört, kann durch gezielte Maßnahmen für Verbesserung sorgen.

Vorab müssen allerdings die richtigen Fragen gestellt werden. Regelmäßiges und strukturiertes Feedback ist eine unternehmerische Notwendigkeit, die über eine oberflächliche Zufriedenheitsabfrage hinausgeht. Es geht schließlich nicht nur darum, Probleme festzustellen, es sollen die Ursachen dafür gefunden werden.

Eine Möglichkeit ist eine Mischung aus anonymen Pulsbefragungen für quantitative Daten und moderierten Team-Retrospektiven für qualitative Einblicke. Und das Wichtigste: Auf das Feedback müssen Taten folgen. Die Ergebnisse müssen transparent kommuniziert werden und konkrete Maßnahmen, die zeigen, dass die Stimmen gehört wurden, müssen folgen. Nichts ist demotivierender als Feedback, das im Nichts verhallt. 

Führungskräfte müssen ggf. geschult werden, damit sie in der Lage sind, die richtigen Handlungen aus dem Feedback abzuleiten. Ohnehin sollten auch diese in den regelmäßigen Feedbackmechanismus eingeschlossen werden. So können Problemfelder konkret identifiziert und konkrete Schulungen oder Coachings durchgeführt werden. So kann der weiter oben geschilderte Teufelskreis durchbrochen werden. Programme zur Führungskraftentwicklung sorgen darüber hinaus dafür, dass diese das Gefühl erhalten, jemand sei ernsthaft an ihrer Entwicklung interessiert. Allein dadurch steigert sich schon ihr Engagement und in der Konsequenz auch das des gesamten Teams. 

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Fazit

Kehren wir zum Anfang zurück. Das Problem war nicht der Hybrid-Plan an sich, sondern die Tatsache, dass er über die Köpfe der Mitarbeitenden hinweg entwickelt und eingeführt wurde. Die Lösung besteht nicht einfach in einer neuen Anwesenheitsregel, sondern darin, das Team zusammenzurufen und das Gespräch zu beginnen. Der entscheidende, aber oft übersehene Erfolgsfaktor in der neuen Arbeitswelt ist die Stimme der Mitarbeitenden.

Es ist an der Zeit, diese nicht als Problem zu sehen, das durch Regeln gelöst werden muss, sondern als Partner bei der Gestaltung einer besseren Arbeitswelt. Die Zukunft gehört nicht den Unternehmen, die jedem Trend nachjagen. Sie gehört denen, die eine Kultur des Vertrauens, der Autonomie und des Zuhörens schaffen. Sie gehört den Unternehmen, die die richtigen Fragen stellen – und die bereit sind, den Antworten Taten folgen zu lassen.

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