Führung messbar machen durch Führungskräftebewertungen

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Führung messbar machen durch Führungskräftebewertungen

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Im Jahr 2019 investierten Unternehmen in Deutschland 41 Milliarden Euro in die Entwicklung ihrer Mitarbeiter:innen (Suhr, 2020). Etwa die Hälfte solcher Ausgaben fließen direkt in die Finanzierung von Entwicklungsmaßnahmen wie Schulungen oder Coachings. Und eine besondere Bedeutung kommt dabei der Entwicklung von Führungskräften zu, deren Verhalten das Unternehmen besonders stark beeinflusst

Doch wo genau liegen eigentlich die individuellen Entwicklungsfelder einer jeden Führungskraft? Welche Methoden zur Führungskräfteentwicklung bringen sowohl der Führungskraft selbst als auch dem Unternehmen den größten Nutzen? Antworten darauf liefern regelmäßige Führungskräftebewertungen.

So sollte HR in der Führungskräfteentwicklung vorgehen!

Erfahren Sie mehr über einen Prozess der datengestützten Führungskräfteentwicklung.

Inhalt

Was bedeutet es, Führungskräfte zu bewerten?

Führungskräftebewertungen sind – abstrakt gesprochen – ein „Instrument zur strukturierten Beurteilung der Leistungen und der Potenziale von Führungskräften anhand vorher festgelegter Kriterien“ (in Anlehnung an Stock-Homburg & Groß, 2019, S. 414). Vor einer Führungskräftebewertung geht es also immer zuerst darum festzulegen, auf welchen Dimensionen eine Einschätzung vorgenommen werden soll.

Dimensionen der Führungskräftebewertung

Es macht z. B. einen Unterschied, ob man bewerten möchte, wie gut eine Führungskraft die Aufgaben ihres Teams plant, oder ob eine Einschätzung darüber getroffen werden soll, wie gut die zwischenmenschlichen Fähigkeiten einer Führungskraft ausgeprägt sind. Denn im ersten Fall würde man eher kognitiv-planerische und im zweiten Fall lieber emotional-soziale Kompetenzen messen.

Auch ist es wichtig zu unterscheiden, wie das Ergebnis dieser Messung kontextualisiert wird. Wird die Führungskraft mit anderen Kolleg:innen derselben Ebene verglichen? Oder mit einem absoluten Referenzwert? Oder vergleicht man ihre jetzigen Fähigkeiten mit denen vor einem Jahr und bewertet den Entwicklungsfortschritt?

Unterschieden werden kann zudem die Zeitperspektive, auf die sich die Führungskräftebewertung bezieht. So kann man Verhalten im vergangenen Monat oder im vergangenen Jahr oder auch das Entwicklungspotenzial in der Zukunft betrachten.

Prozess der Führungskräftebewertung

Nachdem Kriterien festgelegt wurden, ist der Bewertungsprozess zu strukturieren.

Wer beurteilt die Führungskraft eigentlich – Mitarbeiter:innen, die die Person im Alltag erleben? Vorgesetzte, die Entscheidungen über die Person treffen? Kolleg:innen auf der gleichen Ebene, die mit der Person zusammenarbeiten? Externe Partner:innen, die die Person fachlich gut einschätzen können? Oder doch alle gemeinsam im Rahmen eines 360-Grad-Feedbacks?

Wann und wie oft findet eine Bewertung statt – unregelmäßig, z.B. im Rahmen von Beförderungen, halbjährlich oder flexibel und bei Bedarf als Puls-Befragung? Und in welcher Form findet die Bewertung statt – quantitativ über ein Online-Tool oder qualitativ über gemeinsame Gespräche?

Welche Ziele verfolgt man mit Führungskräftebewertungen?

Das naheliegendste Ziel von Führungskräftebewertungen ist die Förderung der individuellen Entwicklung. Dadurch wird zunächst die persönliche Führungsqualität der bewerteten Führungskraft direkt gestärkt. Langfristig wird zudem indirekt auch die Führungsqualität der gesamten Organisation und damit deren Performance verbessert.

Hannum et al. (2007) formulieren noch darüberhinausgehende potenzielle Vorteile für Unternehmen: So regt die Bewertung einer Führungskraft zum einen deren Reflektion über vergangene Lernerfahrungen an. Eine teamübergreifende Diskussion über Good und Bad Practices von Führung wird gefördert. Zusätzlich ermöglicht der Bewertungsprozess der Organisation herauszufinden, welche Führungskompetenzen in welchen Rollen und Situationen erfolgversprechend sind. Durch konkrete Daten kann nachgewiesen werden, dass Entwicklungsprogramme, in die man bereits Ressourcen gesteckt hat, auch tatsächlich erfolgreich sind.

5 Gründe, warum Sie Führungskräfte regelmäßig bewerten sollten

Erfahren Sie mehr darüber, welchen Nutzen Führungskräftebewertungen bringen.

Welche Methoden zur Führungskräftebewertung gibt es?

Es stehen für eine Führungskräftebewertung verschiedenste Methodiken und Vorgehensweisen zur Auswahl. Die Wahl wird unter Berücksichtigung folgender Komponenten von Führungskräftebewertungen getroffen.

Unterscheidung nach …

  • … den zu unterscheidenden Bewertungskriterien,

  • … dem betrachteten Zeithorizont,

  • … den festgelegten Zielen,

  • … den eingesetzten Bewerter:innen sowie

  • … dem verfügbaren zeitlichen und finanziellen Budget.

2 Methoden zur Bewertung von Führungskräften

Zwei sehr unterschiedliche Methodiken werden im Folgenden kurz vorgestellt:

  1. 360-Grad-Feedbacks, auch Multirater-Feedbacks genannt, basieren auf dem Grundprinzip, dass verschiedene Bewertungsquellen die Reliabilität und Validität einer Führungskräftebewertung erhöhen, z.B. durch die Reduktion von Bewertungsbias einzelner Personen (Hurley, 1998).

    Man bittet also Menschen um ein quantitatives Feedback, die der zu bewertenden Führungskraft im Arbeitsalltag nahestehen – Vorgesetzte, Kolleg:innen, Mitarbeiter:innen, Kunden oder andere externe Partner – und schöpft so möglichst viele Informationen über die Führungskraft aus.Bewertet werden in 360°-Feedbacks alltäglich beobachtbares Verhalten, oft vor allem zwischenmenschliche Fähigkeiten. Die einzelnen Bewertungskriterien und auch Bewerter:innen können dabei bei Bedarf gewichtet und miteinander verglichen werden. Idealerweise wird sogar eine Selbsteinschätzung der Führungskraft in diesen Vergleich miteinbezogen. 360-Grad-Feedbacks haben einen besonders positiven Effekt auf der Teamebene, also auf die Zusammenarbeit der Führungskraft mit ihren Mitarbeiter:innen (Hurley, 1998).

  2. Development Center sind „die Anwendung von Assessment Centern zum alleinigen Zweck der Personalentwicklung“ (Contarini & Vannotti, 2006). Es handelt sich hierbei um eine Off-the-Job-Maßnahme, bei der unternehmensinterne und oft auch externe Expert:innen die betreffende Führungskraft individuell abseits ihres Arbeitsalltags im Rahmen spezieller Übungen, wie Rollenspielen oder Präsentationen, bewerten.

    Development Center messen das Entwicklungspotential einer Führungskraft, indem sie besondere Stärken und Entwicklungsfelder identifizieren. Sie sind also eher auf die Zukunft ausgerichtet und finden deshalb häufig im Rahmen des Talent Managements kurz vor oder nach Beförderungen und besonders oft bei erstmaliger Führungstätigkeit statt. Im Anschluss erhält die Führungskraft ein umfangreiches Feedback. Development Center haben eine besonders positive Wirkung auf individueller Ebene, also auf die persönliche Entwicklung der Führungskraft.

Best Practices aus der Praxis

Unabhängig davon, wie genau man bei einer Führungskräftebewertung vorgeht, gelten allgemeingültige Qualitätsstandards für deren Konzeption, Durchführung, Auswertung und Nachbereitung. Besonders wichtige und vielversprechende Ansätze sind im Folgenden aufgeführt:

  • Konzeption: Herausfinden, was eine gute Führungskraft in der Organisation eigentlich ausmacht. So hat z.B. Google in seinem Project Oxygen zehn Verhaltensweisen identifiziert, die Führungskräfte besonders erfolgreich machen (Harrell & Barbato, 2018).

  • Durchführung: Möglichst viele Perspektiven in die Bewertung einfließen lassen. Wenn ein 360°-Feedback aus ressourcentechnischen Gründen nicht umsetzbar ist, dann zumindest 270° oder 180° einbeziehen.

  • Auswertung: Datengestützt-quantitativ vorgehen. So können Datenanalysen bisher verborgene Erfolgsfaktoren von Führung aufdecken und zukünftige Investitionen in Führung vor dem Management legitimieren.

  • Nachbereitung: Zügig passende Folgemaßnahmen anschließen. Denn allein das Wissen um Stärken und Entwicklungsfelder wird eine Führungskraft nicht ausreichend in ihrer Entwicklung voranbringen.

Was folgt nach einer Führungskräftebewertung?

Die Identifikation von Stärken und Entwicklungsfeldern einer Führungskraft stellt nur den ersten Schritt in einem ganzen Entwicklungsprozess dar. Die gewonnenen Erkenntnisse erlauben und verlangen sogar eine weiterführende Nutzung im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen wie Trainings oder Coachings.

Nach einer professionell durchgeführten Führungskräftebewertung wird die Führungskraft motiviert sein, ihre Entwicklungsfelder anzugehen und erwartet dafür entsprechend individualisierte Angebote. Bleiben diese ganz aus, führt das zu Verunsicherung und Unzufriedenheit. Werden sie lediglich nach dem „Gießkannenprinzip“ verteilt, können die Maßnahmen ihre individuelle Wirkung ebenso verfehlen. Nur wenn die Entwicklungsangebote auf die Führungskraft direkt zugeschnitten sind, werden sich positive Effekte auf individueller, Team- und Organisationsebene einstellen.

Diese positiven Effekte lassen sich durch eine neuerliche Führungskräftebewertung überprüfen. Ergänzend sollten auch die Führungskräfteentwicklungsprogramme selbst regelmäßig gezielt evaluiert und bei Bedarf aktualisiert und verbessert werden.

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Contarini, C. & Vannotti, M. (2006). Das Development Center mit Peer-Feedback. Ein Praxisbeispiel. Wirtschaftspsychologie, 4, 11-19.

Hannum, K. M., Martineau, J. W., & Reinelt, C. (2007). The Handbook of Leadership Development Evaluation. Center for Creative Leadership. One Leadership Place, San Francisco.

Harrell, M. & Barbato, L. (2018). Great managers still matter: the evolution of Google’s Project Oxygen. Google. https://rework.withgoogle.com/blog/the-evolution-of-project-oxygen/

Hurley, S. (1998). Application of team‐based 360° feedback systems. Team Performance Management: An International Journal.

Stock-Homburg, R., & Groß, M. (2019). Gestaltung der Personalbeurteilung. In Personalmanagement (pp. 413-454). Springer Gabler, Wiesbaden.

Suhr, F. (2020). Unternehmen investieren mehr Geld in Weiterbildung. Statista. https://de.statista.com/infografik/23801/unternehmen-investieren-mehr-geld-in-weiterbildung/